ENTWURF: SONDERANGEBOT
Die Baugenossenschaft ist der eigeninitiierte Ausweg der Mieter aus den Verwertungsmechanismen eines finanzialisierten Wohnungsmarktes. Wir möchten uns dieses Semester mit der genossenschaftlichen Idee beschäftigen – mit ihren sozialen Implikationen und ihrem Potential für die Erprobung (vermeintlich) neuer Wohnformen, aber ebenso mit ihrer ökonomischen Basis und deren politischen Bedingungen. Es geht um die Grundfragen des Wohnens und der Teilhabe an der Stadtgesellschaft ebenso wie um die Organisation von Baukörpern und Grundrissen. Welcher Privatheitsgrad kommt welcher Wohnfunktion zu? Was gliedert einen Grundriss? Was ist ein Möbel, was ist Struktur, bzw. was mobil, was immobil?
Diese spezielle Wohn- und Eigentumsform, die der Teilhabe möglichst Vieler ein kompromissloses Primat gegenüber der Kommodifikation von Boden, Bauwerk und Bewohner einräumt, verbindet sich mit ihrer vielleicht kontrastreichsten Gegenthese im städischen Raum: dem Discounter-Supermarkt. Im Vollsortimenter wird alles Ware, bis hin zum Raum selbst, der sich, in vorauseilendem Gehorsam, präzise auf seine Anforderungen hin konstituiert. Als konditionierbare Infrastruktur nämlich, deren geringem Berührungsbedarf zum öffentlichen Raum Anforderungen der verborgenen Logistik und Lagerhaltung gegenüberstehen. Dennoch scheint im Vollsortimenter vielleicht ein letztes Mal der Marktplatz auf, Ausgangspunkt der Öffentlichkeitsidee der europäischen Stadt, als verzerrtes Spiegelbild freilich, jederzeit bereit, in die unsichtbaren Großlager des automatisierten Onlinehandels zu verschwinden.
Diese beiden Sphären gilt es zu verhandeln. Wir tun dies in Kooperation mit der Joanes Stiftung, die gemeinsam mit einer Berliner Wohnbaugenossenschaft und einem bekannten Handelsunternehmen einen Wettbewerb für ein Neubauprojekt ausgelobt hat. Die Anforderungen guter Realisierbarkeit und effizienter Entstehungskosten, denen beide Akteursgruppen (aus unterschiedlichen Gründen) stark verpflichtet sind möchten wir dabei beachten und nach Wegen suchen, diese fruchtbar in den Entwurfsprozess einzubeziehen. Die vielversprechendsten Arbeiten aller teilnehmenden Hochschulen werden im Anschluss an die Wettbewerbsphase zu einem Werkstattverfahren eingeladen, um sie in Kooperation mit ExpertInnen verschiedener Disziplinen auf ihre Realisierbarkeit hin zu entwickeln. Der Gewinner des Werkstattverfahrens wird gebaut.
Lehrende:
Prof. Johanna Meyer-Grohbrügge
Dipl.-Ing. Florian Husemeyer
M.Arch. Yuichiro Onuma
Erstes Treffen: 16.10.2024
Zeit und Ort: 13:00 L3 | 01 510 (FG EUR)
Exkursion Berlin: Interessierte kommen bitte ebenfalls zum ersten Treffen des Entwurfes!
Verbindliche Anmeldung im Anschluss an Besprechung
Abgabe: 05.02.2025
Titelbild: Eigene Fotomontage unter Verwendung von: Bal des enfants dans la cour du pavillon central du palais social, Marie-Jeanne Dallet-Prudhommeaux / 99 Cent, Andreas Gursky